Der Biomüllschwindel 18.09.2019
Wie glaubhaft ist diese ART-Werbung für die Biotüte?
In unserer vorigen Meldung vom 04.09.2019 haben wir vom Beschluss des Kreistages Vulkaneifel zur Abschaffung der Biotonne berichtet und uns dabei jeglicher Meinungsäußerung enthalten. Wie aber schon der Titel dieses Beitrags belegt, haben wir in dieser Sache eine klare Meinung. Das Modell Trier plus mit Biotüte bringt einen Schritt zurück zu längst Überholtem. Es eröffnet die Möglichkeit, wie früher, Bioabfälle zusammen mit dem Restmüll in einer Tonne zu entsorgen. Dann lautet die Endstation „verbrennen statt wiederverwerten“! Diesen Rückschritt in der Abfallentsorgung können wir nicht gutheißen.
Um aber nicht vorschnell zu einem Urteil zu gelangen, haben wir uns Zeit genommen und versucht, den Verlauf der Entwicklung von Anfang an zu rekonstruieren. Bei unserer Recherche haben wir Dokumente ausgewertet, die von der Struktur und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord auf ihrer Internetseite veröffentlicht wurden (Link unten). Die Veröffentlichung dieser Dokumente versuchte der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Trier (ART) gerichtlich zu verhindern, scheiterte aber damit. Nachfolgend verstehen wir unter ART nicht nur den heutigen ART, sondern auch alle in ihm aufgegangenen Vorgängerorganisationen und seine Tochtergesellschaften.
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) als Ausgangspunkt
Zur Schonung natürlicher Ressourcen soll die Kreislaufwirtschaft durch das KrWG vom 01.06.2012 gestärkt werden. In der Abfallbeseitigung bekam damit die stoffliche Verwertung von Bioabfällen (Kompostierung) Vorrang vor der energetischen Verwertung (Verbrennung als Ersatzbrennstoff). Das KrWG legte fest, dass Bioabfälle spätestens ab 01.01.2015 getrennt von anderen Abfällen zu sammeln seien. Für den Landkreis Vulkaneifel brachte das keine Änderung. Dort gab es schon seit gefühlt „einer Ewigkeit“ die Biotonne. Im Raum Trier hingegen wanderten die Bioabfälle zusammen mit dem Restmüll in die Restmülltonne.
Die mechanisch-biologische Trocknungsanlage (MBT) Mertesdorf
Seit 2007 betreibt der ART eine MBT in Mertesdorf. Dort wird der Inhalt der Resttonne getrocknet. Dies geschieht mittels der Wärme, die durch den mikrobiellen Abbau des Bioabfalls entsteht. Der so behandelte Restabfall wird in Kraftwerken als Ersatzbrennstoff verbrannt. Dieses, vom ART kurz als integriertes Abfallmodell bezeichnete Sammel- und Verwertungsmodell sah der ART mit der Umsetzung des KrWG gefährdet. Denn dies hätte zum Sammeln der Bioabfälle in der Biotonne geführt mit anschließender Kompostierung statt späterer Verbrennung. Um dem zu begegnen, behauptete der ART, der Bioabfall sei „der Motor“ der MBT und machte so die Verbandsvertreter glauben, ohne Bioabfall funktioniere die MBT nicht. Aus dem Briefwechsel zwischen ART und SGD ist zudem zu schließen, dass der ART dies auch der Behörde gegenüber behauptet hat. Versuche, die die SGD in der MBT durchführen ließ, belegten jedoch, dass selbst bei einer separaten Erfassung von Bioabfall in der MBT ein vermarktbarer Ersatzbrennstoff erzielt werden kann. Dies ist auch dem ART bekannt. Gleichwohl ließ sich die einmal in die Welt gesetzte unzutreffende Aussage nicht wieder einfangen und wurde sogar noch vier Jahre später im Jahr 2019 anläßlich einer Informationstour des ART durch den LK Vulkaneifel zur Abschaffung der Biotonne ausgerechnet von dem für Öffentlichkeitsarbeit und Führungen durch die Mertesdorfer Anlage zuständigen Mitarbeiter unverändert vorgebracht. Der Feind des integrierten Trierer Abfallmodells hieß von Anfang an und bis heute „Biotonne“. Und diese Biotonne galt bzw gilt es weiterhin zu verhindern.
Die Biotonne wird zum Politikum
Noch bevor das Gesetz aber überhaupt erlassen worden war oder die SGD die entsorgungspflichtigen Organisationen über das kommende KrWG informiert hatte, wurde der ART im August 2011 bei der Wirtschaftsministerin des damals rot-grünen Kabinetts, Eveline Lemke, vorstellig und suchte dort um Unterstützung für das integrierte Trierer Sammelmodell nach. Damit war die Biotonne auf die politische Ebene gehoben und als rot-grüne Madentonne ein Fall für die Parteipolitik geworden.
Während das Land von Rot-Grün regiert wurde, war der Trierer Raum wie eh und je fest in schwarzer Hand. Von daher brauchte der ART dort erst gar nicht lange um Unterstützung zu werben. Denn manche der führenden Leute des ART gehörten zugleich der Partei an, die im Mainzer Landtag die größte Oppositionspartei stellte. Sehr deutlich wird dies in der Person des CDU-MdL Michael Billen, der den Eifelkreis Bitburg-Prüm im ART vertrat oder auch in der Person des Chefs des ART, Dr. Max Monzel, der später Chef der Trierer CDU wurde. In Folge erhielt nun der ART auch von parteipolitischer Seite Unterstützung in seinem Kampf gegen die Biotonne.
Wie handelt die SGD?
Als Obere Abfallbehörde ist die SGD verpflichtet, auf eine rechtskonforme Umsetzung des KrWG zu achten. Sie bemühte sich daher nach Kräften, dem Gesetz zur Geltung zu verhelfen und das getrennte Erfassen von Bioabfällen per Biotonne durchzusetzen. Aber schon im September 2011, noch bevor überhaupt das KrWG da war, lässt der ART die SGD wissen, dass er vorerst nicht beabsichtige, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Daraus entwickelt sich ein vier Jahre langer Streit zwischen SGD und ART. Immer wieder legt der ART dar, sein System sei dem Getrenntsammeln in einer Biotonne ökologisch mindestens gleichwertig. Er brauche daher Bioabfälle nicht getrennt zu sammeln. Später legt er zur Ergänzung vom bifa-Umweltinstitut erstellte Expertisen vor, die diese Auffassung stützen.
Über die erste vom bifa-Institut erstellte Ökoeffizienzanalyse urteilt die SGD im März 2014 wie folgt: „Die Studie vermittelt den Eindruck, dass Auswahl und Prüfung der Varianten nicht mit der für eine derart weitreichende Entscheidung notwendigen Ergebnisoffenheit vorgenommen wurden und möglicherweise das betriebswirtschaftliche Ergebnis zur bestimmenden Größe der Untersuchung gemacht wurde.“ Danach kommt es zu weiteren Besprechungen und weitere Schriftstücke werden ausgetauscht. In Folge legt der ART eine aktualisierte Version der von den Fachleuten der SGD verrissenen bifa-Ökoeffizienzanalyse vor. Auch in dieser wird die Auffassung des ART gestützt. Dies veranlasst im Juli 2014 die SGD, dem ART mitzuteilen, dass auch zusätzliche Stellungnahmen und Untersuchungen nicht den Nachweis der Gleichwertigkeit des bisherigen ART-Konzeptes gegenüber der getrennten Erfassung von Bioabfällen in der Biotonne erbringen könnten.
Im Oktober 2014 hat die SGD die Nase voll von dem ergebnislosen Hin und Her und kündigt den Erlass einer „Nachträglichen Anordnung“ an, in der das getrennte Sammeln sämtlicher Bioabfälle angeordnet wird. Das getrennte Sammeln hat bis spätestens 01.01.2017 zu erfolgen. Darauf folgen die zu erwartenden Reaktionen des ART: Fristverlängerung, Akteneinsicht usw. Als die SGD im November 2014 schließlich die angekündigte Anordnung erlässt, erfolgen neben einem Widerspruch die gleichen Reaktionen. Schließlich kommt es im September 2015 zu einem Vergleich.
Höhepunkt der parallel verlaufenden parteipolitischen Unterstützung
Mit der direkt an den Präsidenten der SGD gerichteten online Petition, „keine zwangsweise Aufstellung von Biotonnen in unserer Region anzuordnen“, hat 2014 der parteipolitische Gegenwind der „rot-grünen Madentonne“ fast seinen Höhepunkt erreicht. In dieser Petition werden die sattsam bekannten Vorurteile gegen die Biotonne kräftig geschürt, und all die angeblichen Unannehmlichkeiten kämen nur deswegen, „weil die Ministerialbürokratie in Berlin sich das ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten ausgedacht hat“ – wie es in der Petition auch heißt. Flankierend dazu gibt es Initiativen in der örtlichen Presse wie „unsere Bürger bekommen keine Madentonne vor die Haustür gestellt“. Den Höhepunkt erreicht das Ganze schließlich mit der unverhohlenen Drohung, im Wahlkampf zur nächsten Landtagswahl die „rot-grüne Madentonne“ als Wahlkampfthema gegen die rot-grüne Mainzer Regierung in Stellung zu bringen. Auf der Internetseite des ART ist der Kampf gegen die Biotonne selbst heute noch nicht beendet!
Das Schweigen der damaligen Landesregierung und der Kompromiss
Was sich in der entscheidenden Zeit zwischen Erlass der Anordnung im November 2014 und dem Vergleich im September 2015 behördenintern, also zwischen SGD und dem Wirtschaftsministerium ereignet haben mag, dazu stehen auf der Internetseite der SGD keine Dokumente. Aber, es war Wahlkampfzeit! Im Mai 2016 sollte der nächste Landtag gewählt werden. Und das von der Opposition angekündigte Wahlkampfthema „Madentonne“ wollte die Landesregierung offensichtlich aus dem Weg räumen. So kam es im September 2015 zu einem Vergleich, in dem die Landesregierung offenbar auf das Getrenntsammeln sämtlicher Bioabfälle verzichtete, was zwangsläufig zur Einführung einer verpflichtenden Biotonne geführt hätte. Stattdessen kam es zu dem einvernehmlich abgestimmten Modell Trier plus – also bisheriges Trierer Modell plus Biotüte. Mit dem aus NABU-Sicht oberfaulen Kompromiss machte es die Landesregierung möglich, dass nun auch weiterhin Bioabfälle letztendlich verbrannt werden können, statt sie zu kompostieren und sie dem natürlichen Kreislauf wieder zuzuführen.
Was bringt nun der Vergleich?
Im Grunde genommen bringt er dem Landkreis Vulkaneifel einen Schritt dorthin, wo er vor Jahren schon mal war, und dem übrigen Verbandsgebiet des ART die Möglichkeit, dort zu bleiben, von wo der ART nie wirklich wegwollte: Wer will, kann im Raum Trier wieder alles, wie eh und je, in der Restmülltonne entsorgen und im LK Vulkaneifel ab 01.01.2020 dies auch wieder tun. Denn im Gegensatz zum benutzerfreundlichen Holsystem Biotonne, wo in der Tonne auch Platz für Gartenabfälle, Heckenschnitt usw. war, wo zudem jeder mitmachen musste, damit auch wirklich alle Bioabfälle erfasst wurden (Eigenkompostierer ausgenommen), beschränkt sich das weniger nutzerfreundliche Bringsystem Biotüte alleine auf das Sammeln von Küchenabfällen und Nahrungsresten. Die Kosten für die ständigen Fahrten zur Sammelstelle dürfen die Tütennutzer dann auch selbst tragen. In der Werbung des ART für die Biotüte heißt das dann "kostenlos". Auch die Freiwilligkeit der Biotüte betont der ART nach Kräften, weist allerdings pflichtschuldigst darauf hin, dass Biogut zu gut für die Tonne sei (s.o. Screen shot aus dem ART-Erklärvideo zur Biotüte).
Biotüte steht unter Vorbehalt
Nachdem der Kreistag Vulkaneifel in seiner Sitzung vom 02.09.2019 mit den Stimmen der Parteifreunde der Trierer Biotonnengegner und Zustimmung der FWG und auch der GRÜNEN beschlossen hat, die Biotonne ab- und die Biotüte anzuschaffen, kommt sie nun also ab 01.01.2020 auch in unseren Landkreis. Allerdings steht sie noch unter dem Vorbehalt des Nachweises ihrer Effizienz und ihrer Akzeptanz. Was Letzteres betrifft, soll man sich nur die zahlreichen Proteste des vergangenen Jahres aus dem Trierer Raum anschauen. Auch wenn diese Proteste inzwischen weniger geworden sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass damit die Akzeptanz größer geworden ist. Man ist schnell des Protestierens müde und greift stattdessen zu praktischeren Lösungen. So wird es auch im Landkreis Vulkaneifel sein, wo aber die riesige Protestwelle gegen die Abschaffung der Biotonne belegt, wie akzeptiert die Biotonne im hiesigen Landkreis war. Ob aber nicht dennoch ein Institut der Biotüte die erforderliche Akzeptanz und Effizienz sowie die ökolgisch mindestens gleiche Wertigkeit wie die Biotonne bescheinigen wird?
Nach seinen Erfahrungen mit dem bifa-Institut, das stets die Auffassung des ART stützte, ist sich zumindest ART-Chef Monzel ganz sicher, dass es so kommen wird. So verkündete er denn auch schon in der entscheidenden Kreistagssitzung am 02.09.2019 im Kreistag Vulkaneifel, dass nach seinen Informationen nichts dagegen spräche. Im Gegenteil! So sei z.B. die Qualität des Bioabfalls in der Biotüte sehr gut. Wen wundert´s? Derjenige, der überhaupt bereit ist, laufend seine Tüte zur Sammelstelle zu bringen, wird kaum was anderes dorthin bringen. Der ART-Chef ist sich seiner Sache schon so sicher, dass er bereits kostspielige Verträge abgeschlossen hat, bevor die Überprüfungsphase überhaupt abgeschlossen ist.
Darüber, dass es diesmal nicht nur auf die Qualität, sondern auch auf die Quantität ankommt, ob es also gelingt, auch mengenmäßig den Bioabfall ausreichend zu erfassen, dazu auch noch auf Akzeptanz ankommt, darüber verlor der ART-Chef im Kreistag kein Wort. Man darf auf das Urteil des Instituts gespannt sein!
Im ART-Forum zur Biotüte kann man die „Begeisterung“ der Bevölkerung über die Biotüte bis heute mitverfolgen: https://www.art-trier.de/eo/cms?_sprache=de&_bereich=artikel&_aktion=suche_rubrik&idrubrik=1017&_sortierung=datum_desc
Nachtrag zum ART-Forum "Biotüte" 02.03.2022
Diese Seite ist seit einiger Zeit nicht mehr auf der ART-Homepage zu finden!
Nachtrag 14.12.2020
Wegen der Bedeutung der ganzen Angelegenheit weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass in der Folgezeit zur Bioabfallentsorgung noch folgende Beiträge veröffentlich wurden:
Biomüllschwindel: Widerstand gegen Biotüte formiert sich 14.12.2019
Die Umsetzung des Modells Trier Plus des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Trier (ART) hat zur Abschaffung der seit über 2 Jahrzehnten im Landkreis Vulkaneifel etablierten Biotonne ...
Die Biotüte im Forum Daun 29.10.2019
„Das wird kein Testlauf, die Ergebnisse der Untersuchung werden zu keiner Veränderung des Beschlossenen führen“, diese, so im TV vom 26.10.2019 wiedergegebene Äußerung des ...